Das Gleitz-Team genoss den Besuch des Kunstmuseums Schloss Derneburg und lernte bei den interessanten Ausführungen aus erster Hand von Antje Winter so einiges über die ereignisreiche Geschichte dazu. Foto: Clemens Heidrich

Der Gleitz Verlag besichtigte das Schloss Derneburg

25.05.23 | Erhaben steht es auf dem Hügel, an den Fischteichen, am Laves-Kulturpfad, neben dem Glashaus. Das malerische Schloss Derneburg, umgeben von Wald und Fischteichen im Landkreis Hildesheim in der Gemeinde Holle. „Besuch bei einem Wunder im niedersächsischen Niemandsland“, titelte einmal die Welt am Sonntag.

Ein ideales Ziel also für einen Betriebsausflug, dachte sich Karl-Heinz Gleitz und lud die gesamte Belegschaft des Gleitz Verlages zu einer Schlossführung ein.

Keine Frage – jeder kennt das barocke Gebäude im Ortsteil Derneburg. Aber, das zeigt eine kurze Umfrage vorab, nur wenigen ist bekannt, dass es mittlerweile ein Kunstmuseum mit der größten Sammlung moderner Kunst in Europa ist. Und was für eines - Andrew Hall und seine Frau Christine, beide international renommierte Kunstsammler, haben das Anwesen erworben, um hier einen zweiten Ausstellungsort für ihre fantastische Sammlung zeitgenössischer Kunst der Nachkriegszeit zu schaffen. Doch dazu später mehr.

Zunächst lernt die fast 20-köpfige Gruppe ihre Führerin kennen: Antje Winter hat schon viel Zeit in und um Schloss Derneburg verbracht. Wahrscheinlich weiß sie alles darüber und noch viel mehr – schließlich waren die Baselitz‘ ihre Nachbarn, mit Sohn Anton drückte sie gemeinsam die Schulbank. Bevor die Halls das Schloss und die angrenzenden Wirtschaftsgebäude sanierten, führte sie Interessierte über den Laves-Kulturpfad. Und da dieser eng mit der Geschichte des Schlosses verbunden ist, lag es nahe, dass sie heute Führungen durch das Schloss leitet.

Wie Laves und Baselitz nach Derneburg kamen

Die Gruppe erfährt, warum Derneburg so heißt – es kommt von „mej Dern“, ein Ausdruck für Frau oder Mädchen. Tatsächlich war die Burg ein Zufluchtsort für Frauen und Kinder. Ein rasanter Ritt durch die Geschichte beginnt. Ursprünglich war es ein Herrenhof der Brüder Herrmann I. und Heinrich von Winzenburg. Ab hier wird es blutig: Hermann ermordet 1130 seinen Lehnsherrn. Sein Sohn Herrmann II. übergab daraufhin den Hof als Wiedergutmachung an Bischof Bernhard I. von Hildesheim - mit der Auflage, dort ein Nonnenkloster zu gründen. Im Jahre 1213 zogen die Augus­tinerinnen ein, die jedoch den Pfarrer durch einen Auftragsmord aus dem Weg räumten – er wollte die Einkünfte aus dem Kloster einfach für sich behalten. Jahrhundertelang verarmte das Kloster und die Zisterzienser-Nonnen zogen ein, denen 1651 die Zisterzienser-Mönche folgten.

Zeitsprung: 1803 endet die Klosterzeit, Napoleon marschiert durch Europa, französische Truppen besetzen und plündern das Gut. Für das Schloss beginnt­ eine neue Epoche. Für sein Verhandlungsgeschick auf dem Wiener Kongress erhält Graf Ernst zu Münster das Gut vom hannoverschen König Georg III. Sein Sohn Georg Herbert Graf zu Münster lässt von 1846 bis 1848 mit Hilfe des hannoverschen Architekten Georg Ludwig Friedrich Laves das Klostergebäude zum Schloss umbauen. Im Zuge der Um- und Neubauten erhielten die Gebäude eine architektonische Gestaltung im Stil der englischen Tudor-Gotik, wobei Laves auch nicht davor zurückschreckte, Teile der Klosterkirche abzureißen. Er errichtete den Landschaftspark, das Glashaus, das Teehaus, die Lavesbrücke und das Mausoleum des Grafen von Münster, zu dem ihn eine Romreise inspiriert hatte.

Von der Skulptur des Grafen führt Antje Winter zu einer überlebensgro­ßen Plastik von Georg Baselitz, die ihn und seine Frau zeigt. Nach fünf Generationen der Familie zu Münster erwarb der damals schon renommierte Maler, Bildhauer und Grafiker Georg Baselitz 1975 Schloss und Ländereien für 300.000 D-Mark. Er lebte dort 31 Jahre mit seiner Frau und Familie, bevor er das Schloss 2006 an die Hall Art Foundation verkaufte. Zurzeit zeigt das Kunstmuseum Derneburg auf 6.000 Quadratmetern zwölf Ausstellungen, darunter Werke von Franz West, Antony Germley in einer Dauerausstellung, das Frühwerk von Anselm Kiefer und seit kurzem Baselitz im Atelier.

„Ich hätte gerne noch mehr gesehen“

Das Passing Cloud genannte Fenster im Eingangsbereich des Schlosses stammt von Spencer Finch und besteht aus verschiedenen blauen Gläsern. Finch schreibt dazu: „Diese Buntglasinstallation verschiebt das Sonnenlicht in die Farbe des Schattens, den eine vorbeiziehende Wolke wirft“. Zur Einordnung: Spencer Finch wurde ausgewählt, das einzige Kunstwerk zu schaffen, das für das National September 11 Memorial Museum in Auftrag gegeben wurde. Der Künstler malte 2.983 Quadrate von Hand auf Papier. Jedes Quadrat erhielt einen einzigartigen Blauton für jede Person, die bei den Anschlägen vom 11. September getötet wurde.

Am Ende war das Staunen bei allen Beteiligten groß: „Ich hätte gerne noch mehr gesehen und erfahren, ich komme auf jeden Fall wieder“, so der Tenor vieler Mitarbeiter. Wer wollte, konnte auf Einladung des Gleitz Verlages noch im Anschluss Teile der Ausstellungen besichtigen.

Andreas Kreichelt

Weitere Informationen finden Sie auf der Webseite der Hall Art Fundation

 

Carl Andre, Cascade, 1984 (2009 re-fabricated)
Hall Collection. © Künstler, Foto: Roman März

 

3

Skulpturenpark, Kunstmuseum Schloss Derneburg.
© Hall Art Foundation, Foto: Franziska Lenferink

 

1

Georg Baselitz, Ausstellungsansicht.
© Hall Art Foundation, Foto: Roman März

 

5

Antony Gormley, SLEEPING FIELD, 2015 – 16
Hall Collection. © Künstler, Foto: Heinrich Hecht

 

4

Anselm Kiefer, Ausstellungsansicht.
© Hall Art Foundation, Foto: Roman März