Comedian Ingo Appelt gastierte kurz vor dem allgemeinen Veranstaltungsverbot als „Staats-Trainer“ im Audimax
12.03.20 | Witze weit unter der Gürtellinie sowie derber Männerhumor – vor mehr als 25 Jahren machten sie Ingo Appelt im ganzen Land bekannt.
Das Klischee begleitet ihn noch immer: „Aber ich habe mich gewandelt“, behauptet der Comedian heute.
Sein Auftrag? Deutschland mit einem Geheimrezept aus der allgemeinen Depression führen. Dafür analysiert er nicht nur Politik und Gesellschaft, sondern stellt sich zudem demonstrativ auf die Seite der Frauen. Mit seinem Programm „Der Staats-Trainer“ sorgte Ingo Appelt nun für ausgiebige Lachsalven im Hildesheimer Audimax.
Provokation gleich zu Beginn: „Ihr seid ja leichtsinnig, dass ihr überhaupt noch rausgeht“, spielte der 52-Jährige mit deutlich ironischem Unterton auf die Verbreitung des COVID-19 an. Zwei seiner Auftritte hätten die Veranstalter bereits abgesagt. „Aber diese Corona-Verbote sind ja irgendwie auch eine Einschränkung demokratischer Rechte. Ich muss ja meine Meinung frei äußern, diese ganzen Menschen erfahren ja meine Meinung nicht“, empörte sich der Comedian witzelnd und erklärte: „Das finde ich kriminell.“ Doch zumindest die Hildesheimer im nahezu ausverkauften Audimax erlebten Ingo Appelt wenige Tage vor dem noch in Hochform.
Warum nicht die Smartphones selbst zusammenlöten?
„Es ist ja pervers, was diesen Konsum-Irrsinn anbelangt“, bezog sich der gebürtige Essener auf die häufig wechselnden Smartphones und deren Verwendung. Als Gegenmittel unterbreitete er einen unkonventionellen Vorschlag, um die Wertschätzung zu steigern: Warum nicht einfach mal Handys selbst zusammenlöten und den Strom selbst erzeugen? „Die Kinder sollen nicht mit dem E-Scooter durch die Stadt rasen, sondern mit einem kleinen Dynamo 80 km radeln, damit sie 20 Minuten whatsappen können“, forderte der Humorist – „dann radeln die auch.“
„Auf der ganzen Welt wird übertrieben“
Eine Zeit der Nazis sei unsere Gegenwart, irritierte Appelt sein Publikum. Damit jedoch meinte er nicht etwa, dass rassistische Ideologen die Mehrheit im Land bildeten. Vielmehr unterschied er beispielsweise Öko- sowie Fitnessnazis – und verwendete den Begriff folglich so, wie es im Englischen schon lange zur Gewohnheit geworden ist, als anderes Wort für Fanatiker. „Ich weiß nicht, ob es euch schonmal aufgefallen ist, aber auf der ganzen Welt wird übertrieben“, bewertete er dementsprechend die globale Lage.
„Wegen Unterforderung des Geschlechts wählen wir alle rechts“
Undurchdachter Hass grassiere auf der Welt, ganz getreu dem Motto: „Hasste was, biste was.“ Urheber seien zumeist nicht etwa die Frauen: „Wir haben überall frustrierte Männer, die sich denken: Wir wollen wieder wichtig sein“, behauptete der Comedian. Warum gerade in den neuen Bundesländern fremdenfeindliche Themen Unterstützer finden, resultiere aus den Problemen der Nachwendezeit: „Wir haben da jetzt einen Männerüberschuss. Wegen Unterforderung des Geschlechts, wählen wir alle rechts“, reimte der einstige Star von „RTL Samstag Nacht“ und animierte sein Publikum zu lautstarkem Gelächter.
Feindseligkeit ziele nicht zuletzt auf Politiker, es mangele an Respekt: „Würde mein Sohn in die Politik gehen und meine Tochter auf den Strich, hieße es doch gleich: Zumindest aus dem Mädchen ist etwas geworden“, blödelte der Comedian.
Nach seinem Gastspiel in Hildesheim durfte Appelt am Tag darauf noch in Bielefeld auftreten. Dann wurde die Tournee aufgrund der coronabedingten Einschränkungen abgebrochen.
Auswirkungen dieser Entwicklung spüre er auch in seinem Job: „Früher habe ich noch 28 Politiker parodiert.“ Eine kleine Auswahl sei aber geblieben, amüsante Kostproben für das Hildesheimer Publikum inbegriffen – darunter die Bundeskanzlerin: „Früher habe ich immer gesagt, Angela Merkel steht das Elend dieses Landes ins Gesicht geschrieben“, sorgte er für Lacher. „Heute sehe ich es positiv: Wenn man sie auf den Kopf stellt, sieht es aus, als wenn sie lächelt.“
Unter johlendem Lachen durften natürlich auch brillante Parodien Herbert Grönemeyers nicht fehlen. So sehr ihn sein Publikum für derartige Persiflagen liebt, so sehr brachten sie ihn bereits in Bedrängnis: „Beim Musikpreis ECHO habe ich mich auf der Bühne mal bei Peter Maffay dafür entschuldigt, dass ihn immer alle rumänische Wanderwarze nennen“, erzählte der Ruhrpott-Komiker. Hinter der Bühne sei der Rockmusiker zu ihm gekommen: „Da hatte ich schon Respekt. Der ist gut trainiert und Rumäne. Man kennt es ja vom Spargelfeld, im Abstechen sind sie schnell, da muss man vorsichtig sein.“
„Frauen wollen vergöttert werden“
Mit einem Rundumschlag setzte Ingo Appelt zu seiner Hauptmission als Staats-Trainer an. „Meine Artgenossen sind mir so peinlich“, empörte sich der Entertainer und appellierte an die Hildesheimer Männer: „Wir müssen besser werden.“ Schließlich bräuchten Frauen das männliche Geschlecht nicht mehr zwingend. Dementsprechend wolle er einen neuen Sinn im Leben aufzeigen: „Das ist die Erziehung hin zum Dienstleister der Frauen.“ Pointiert stellte Appelt fest: „Frauen wollen vergöttert werden.“
„Nicht gemeckert ist genug geliebt“
Natürlich hatte der Staats-Trainer einige Regeln parat, die ein erfolgreicher Dienstleister der Frau befolgen müsse.
Lektion 1: Seid witzig! „Es wird ja bei Umfragen immer gesagt, dass Männer Humor haben sollen“, erklärte der Comedian und folgerte: „Was müssen reiche Männer lustig sein.“ Faktisch müsse ein Mann aber beides haben, Geld und Humor: „Denn er muss ja noch lachen können, wenn sie das Geld ausgibt.“
Lektion 2: Zeigt Emotionen! „Männer leben so nach dem Motto: Nicht gemeckert ist genug geliebt“, mokierte sich der 52-Jährige und warf seinem männlichen Publikum vor: „Ihr seid emotionale Minderdienstleister.“
Lektion 3: Sprecht miteinander! „Andernfalls“, so witzelte Appelt, „machen es Alexa und Siri.“
Matscheier als Männer der Zukunft
Letztlich liebten Frauen Gegensätze: „Ein Macho soll er sein, doch gleichzeitig auch ein Weichei“, resümierte der TV-Star und schuf dafür einen neuen Begriff: „Ein Matschei eben, das beschreibt das Gegenprogramm zu Erdogan, Trump und Putin. Das beschreibt die Männlichkeit der Zukunft.“
Deutlich später als geplant, verabschiedete sich Ingo Appelt nach drei Stunden am E-Piano von seinem Publikum. Bekanntlich nicht erst seit heute scheiden sich die Geister an seiner Comedy. Tatsächlich präsentierte sich der Entertainer allerdings nicht mehr derart provokativ auf das Thema Sex fixiert, wie noch lange nach Beginn seiner Karriere. Zwar bleibt Humor Geschmackssache, doch wer Appelts Show sieht, dürfte wissen, worauf er sich einlässt. So auch das Hildesheimer Publikum – und es wirkte begeistert. Anders lassen sich die ausgiebigen Lachsalven und langwährender Applaus wohl kaum deuten.
Marcel Giffey
Fotos: Clemens Heidrich
Das Plakat zur Veranstaltung.
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